Wenn eine Ratte beißt, ist das eine viel umfangereichere Situation, als man sich vielleicht zunächst vorstellen kann. Im Folgenden möchte ich euch ein bisschen dafür sensibilisieren, euch in die Lage der Rattz hinein zu versetzen. Daher verzeiht bitte, wenn meine Vergleiche an manchen Stellen übertrieben oder kindlich klingen. 

Der "BOAH-LECKER-DAS-WILL-ICH-HABEN-BISS"

 

Manche Ratten sind so dermaßen verfressen, dass sie erstmal mit den Zähnen zupacken, wenn ihnen die Hand hingehalten wird. Erst nachdem sie zugebissen haben, fällt ihnen möglicherweise auf, dass da gar nichts zu essen war und dass sie ihre scharfen Zähne soeben in Frauchens/Herrchens Finger gebohrt haben.

 

Je nach Verfressenheitsgrad können diese Bisse von zaghaft kitzelnd bis schmerzhaft und blutig sein. Hinter ihnen steckt aber überhaupt keine böse Absicht, sondern wirklich reinste Verfressenheit.

 

joghurtfinger

 

Lösung: Um der Rattz das unreflektierte Beißen in alles, was man ihr hinhält abzugewöhnen, hilft nur Geduld. (Ich kann bis hierher hören, wie ihr genervt aufstöhnt. *grins*)

 

Keine Leckerlis mehr durch's Käfiggitter geben! Wenn die Rattz angerannt kommt und das Leckerli wie ein Monster aus der Hand reißen will, ziehst du die Hand weg und sagst ein Kommando (wahlweise "Nein!" oder wie ich "Vernünftig!" oder "Langsam!"). Erst dann, wenn die Rattz langsam und vorsichtig nach dem Leckerli greift, bekommt sie es. Wenn dafür 30 Anläufe notwendig sind, ist das eben so. Ratten lernen schnell, daher werden sie das schnell verstehen.


Der "DU-RIECHST-TOTAL-GEIL-BISS"

 

Er ist dem Leckerli-Biss nicht unähnlich, aber ihm liegt eine Verwechslung zu Grunde. Manchmal pflegen wir Menschen unsere Haut mit verführerisch duftenden Pflegeprodukten. Handcreme mit Sheabutter, Seife mit Kokos, Duschgel mit Vanille... Und Ratten vermuten hinter diesem betörenden Duft natürlich was zu futtern. Und wie beim Leckerli-Biss auch, beißen sie erst rein und fragen dann, was es war.

 

Manchmal sind es aber auch keine Körperpflegeprodukte, die unsere Ratten rappelig werden lassen, sondern Geruchsspuren von Essen. Brot, Kekse (ganz gefährlich!), Obst oder Futter selbst.

 

Auch diese Gerüche können die Ratten in Versuchung führen, einen zu beißen.

 

Lösung: Hände waschen! Jedes Mal, wenn ihr etwas Leckeres/Duftendes angefasst habt. Bedenkt dabei, dass Ratten viel besser riechen können, als wir Menschen. Nur weil findet, dass eure Hände nach nichts riechen, bedeutet das nicht, dass die Ratten das auch so sehen.


Der "ANGST-BISS"

 

Ratten sind von Natur aus friedliche Tiere. Wie bei uns Menschen auch, ist ein besonderer Teil in ihrem Gehirn (die Amygdala) für die Entscheidungsfindung Flucht oder Kampf verantwortlich, wenn die Situation es erfordert. Eine Ratte entscheidet sich immer für Flucht, wenn sie Angst hat.

 

In einer Angstsituation zu beißen, hat dann in der Regel aus Rattensicht verständliche Gründe. Ratten können aus vielen Gründen Angst haben. In den meisten Fällen sind es schlechte Erfahrungen mit Menschen in ihrer Vergangenheit. Zooladenratten sind dahingehend häufig besonders stark betroffen. Aus Angst angefasst zu werden, beißen Ratten zu. Es sind sozusagen "Abwehrbisse".

 

Sie sind kurz und schmerzhaft, bluten aber normalerweise nicht.

 

Diese Situationen entstehen z.B. wenn man nach der Rattz greift, während sie in einem Häuschen sitzt. Oder in einer Ecke. Also Momente, in denen sie keinen anderen Ausweg sieht, als einen zu beißen, um zu entkommen.

 

zahne

(Aus Angst oder nicht - Ratten haben ganz schöne Hauer!)

 

Lösung: Wenn du weißt, dass du einen Angstbeißer hast, dann vermeide unbedingt solche Situationen! Bedränge deine Rattz niemals! Lass ihr immer die Möglichkeit zur Flucht. Wenn du sie aus dem Käfig nehmen musst, lass sie in eine Röhre oder ein umgedrehtes Häuschen laufen und hebe sie mithilfe dessen heraus. Nimm die Röhre auf deinen Schoss und "schütte" die Rattz dort aus oder in die Transportbox hinein (z.B. wenn ein Tierarztbesuch ansteht).

 

Angstbeißern kannst du die Angst nicht nehmen. Sie müssen von selbst merken, dass der Mensch keine Bestie ist. Das funktioniert nur mit Zeit und Geduld. Lass die Rattz auf dich zukommen. Wenn deine Ratte soweit ist, sich dir zu öffnen, dann wirst du das bemerken.

 

Leckerlis kannst du bis dahin z.B. auf einem langstieligen Löffel anbieten, so dass du der Ratte gar nicht mit der Hand zu nahe kommen brauchst (allein das würde ihr schon Angst machen). Bis ein Angstbeißer seine Angst abgelegt hat, können  Wochen, Monate, ja sogar Jahre vergehen. Aber es gibt keinen Grund, die Hoffnung aufzugeben.

 

Eines unserer ersten Rattenweibchen namens Race war so eine Angstbeißerin. Im Alter von fast 3 Jahren taute sie langsam auf und in den Monaten vor ihrem Tod wurde sie zur richtigen Schmuserattz. Jeder Moment, in diesen fast 3 Jahren, in denen wir sie sein ließen, wie sie war, hat sich gelohnt, um am Ende diese paar Schmusemomente zu bekommen.


Der "ICH-BIN-SO-UNSICHER-BISS"

 

Manche Ratten sind viel zu früh von ihrer Mama getrennt und dann lange Zeit einzeln gehalten worden. Diesen Ratten fehlen einfach die Basics des Rattenverhaltens.

Sie sind so dermaßen unsicher, dass sie oft sehr zaghaft zubeißen, weil sie einfach nicht wissen, was sie machen sollen. Greift man nach ihnen, spürt man einen leichten, sehr unsicher ausgeführten Biss in den Fingerspitzen. Nach dem Motto: "Ähhh? Nein? Bitte nicht anfassen? Oder so?"

 

Lösung: Die Rattz braucht Selbstbewusstsein. Das geht natürlich am Besten durch souveräne Artgenossen. Also Rattis, die sich von der Unsicherheit der neuen Ratte nicht beeindrucken lassen, sondern selbst so viel Selbstbewusstsein haben, dass es für alle reicht.

 

Aber auch als Mensch kann man das Selbstbewusstsein der unsicheren Ratte stärken. Dies geht am Besten mit Clickertraining. Eine Ratte, die etwas tut und dafür gelobt wird, fühlt sich - wie wir Menschen auch - bestätigt. Sie hat etwas richtig gemacht und das ist gut für's Ego.


Der "REVIER-VERTEIDIGUNGS-BISS"

 

Ratten sind sehr revierbezogen. Das ist normal. Aber selten gibt es mal Exemplare, die ihr Revier wirklich vor allem und jedem zu verteidigen versuchen - auch gegen ihre Menschen. Von Vielzitzenmäusen ist dieses Verhalten bekannt. Vielzitzenmäuse sind außerhalb ihres Käfigs (im Auslauf) zutrauliche, freundliche Tierchen. Im Käfig allerdings werden sie oft zu kleinen blutrünstigen Monstern. Denn ihr Käfig wird auch gegen Menschen bis aufs Blut verteidigt. (An dieser Stelle möchte ich der Fairness halber erwähnen, dass es in Deutschland einen aggressiven und einen weniger aggressiven Vielzitzen-Stamm zu geben scheint. Vielzitzen sind trotzdem ganz tolle Tiere!)

 

Manche Ratten eifern diesem Verhalten nach.

 

Dabei zeichnet sich in der Regel immer dasselbe Bild ab: Hat man die Ratte auf dem Arm oder im Auslauf, ist sie nett, freundlich, fröhlich, manchmal sogar richtig verschmust, lässt sich anfassen, hochheben, nimmt Leckerlis aus der Hand.

 

Im Käfig aber, sitzt sie stets in Position, wie ein kleiner "Kontrolletti", der alles genau beaufsichtigt. Und fährt man mit seiner Hand in den Käfig, kommt die Rattz angeschossen und attackiert die Hand. Dies kann heftige Ausmaße annehmen. Von blutigen Bissen über festbeißen in der Hand.

 

Lösung: Diese Art von Beißen zu "therapieren" ist sehr schwierig. Denn man kann der Ratte nicht das Recht absprechen, ihr Revier zu verteidigen. Das Beste in so einem Fall ist es, Arbeiten im Käfig nur zu erledigen, wenn die "Terrorratte" im Auslauf ist. Wenn es gar nicht anders geht, muss die betreffende Rattz für tägliche Arbeiten am Käfig in die Transportbox verfrachtet werden.

 

Denn die eigene Sicherheit geht vor und immer wiederkehrende Rattenbisse können sich übel entzünden.

 

Die Lösung lautet also: Vermeide es, im selben Moment im Käfig zu hantieren, in dem die Ratte sich darin befindet. Gott sei Dank sind Revierbeißer sehr selten.


Der "AUS-VERSEHEN-BISS"

 

Im Eifer des Gefechtes können Ratten schon mal daneben beißen. Und daneben bedeutet in dem Fall: In die Hand ihres Menschen. Das passiert beispielsweise dann, wenn zwei Ratten sich prügeln und man mit der bloßen Hand dazwischen geht. Das kann sehr schmerzhaft und blutig werden.

 

Das kann aber auch passieren, wenn man eine Ratte anfasst, die nicht mehr gut sieht oder zusätzlich auch noch schlecht hört. Diese Ratten denken dann, ein Feind will sie packen oder ein Artgenosse ist auf Zoff aus.

 

Eine blinde, taube Ratte einfach anzufassen, endet oft damit, dass die Ratte sich erschrocken umdreht und einem in die Hand beißt. Je nach Grad des Schreckens kann das zaghaft, aber auch blutig ausgehen.

 

jeromeauge

(Jerome erblindete auf dem linken Auge aufgrund einer Verletzung.)

 

Lösung: Wenn Ratten sich beißen, sollte nur mit Handschuhen dazwischen gegangen werden. Alternativ (wenn man keine Handschuhe zur Hand hat), kann man auch eine Zeitschrift nehmen und sie zwischen die Kontrahenten schieben oder ein lautes Geräusch verursachen, wodurch die Rattis sich erschrecken und voneinander ablassen.

 

Wenn man eine blinde/taube Ratte hat, sollte man mit der Rattz einen Konsens finden, wie man sich bemerkbar macht, ehe man sie berührt.

 

Mit unserer Flora haben wir es damals so gemacht, dass wir sie sanft angepustet haben, ehe wir sie berührten. Das hatte gleich mehrere Vorteile für sie: Sie wusste, wer sie anfassen würde und wo derjenige sich befand (vor, hinter, neben oder über ihr). Sie drehte sich dann schon immer in die passende Richtung um. Schon nach kurzer Zeit hatte sie den Sinn des Anpustens begriffen.

 

Auch bei unserem Kastraten Jerome, der aufgrund von mieser Haltung mal eine Verletzung am linken Auge hatte, welche zur Erblindung führte, machten wir es so.

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